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Bundesregierung will § 219a StGB streichen

Er war lange umstritten: ein Paragraph, der die strafrechtliche Verfolgung von Ärzt:innen ermöglicht, die Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen mit der Öffentlichkeit teilen – nun hat das Bundeskabinett die Streichung des § 219a StGB auf den Weg gebracht.


von Lorena Wierschem

© Lea Donner


Anfang März stimmte die Bundesregierung dem Gesetzesentwurf des Justizministers Marco Buschmann zu, der die Streichung des § 219a StGB vorsieht. Nur einen Tag zuvor gingen am feministischen Kampftag weltweit Menschen auf die Straße, um sich für die Gleichheit der Geschlechter stark zu machen. Stets im Mittelpunkt der Forderungen: eine progressivere Gesetzeslage für Schwangerschaftsabbrüche.


Doch wie ist es um die bisherige Gesetzeslage des deutschen Strafgesetzbuches beschaffen? Und warum ist § 219a StGB so umstritten?


Die Gesetzessystematik der §§ 218 ff. StGB hat eine sehr lange Geschichte. In erstmaliger Fassung wurde sie 1871 im deutschen Kaiserreich eingeführt. Noch heute stellt zunächst der § 218 StGB Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich für alle Beteiligten unter Strafe. Eine straffreie Durchführung eröffnet sich allerdings durch die Beratungsregelung nach § 218a Abs. 1 StGB. Laut dieser müssen sich Schwangere vor einem Eingriff durch eine staatlich anerkannte Einrichtung beraten lassen, um sich daraufhin bei einer Ärzt:in dem Eingriff unterziehen zu können. Weiter sieht das Gesetz vor, dass ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen nach Empfängnis erfolgen muss.

Der Paragraph § 219a StGB soll eigentlich das Werben für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellen. In der Realität führte er aber dazu, dass Ärzt:innen lange grundsätzlich nicht öffentlich darüber informieren durften, dass sie überhaupt straflose Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Infolge dessen wurden zahlreiche Ärzt:innen aufgrund entsprechender Hinweise etwa auf ihren Websites strafrechtlich angezeigt und teilweise verurteilt. Daher entschied die große Koalition im März 2019 eine Änderung des § 219a StGB woraufhin zumindest der Hinweis darauf, dass eine Ärzt:in Schwangerschaftsabbrüche durchführe, nicht länger unter Strafe stehen sollte.

Aus Sicht von vielen Kritiker:innen war diese Reform allerdings kaum gelungen, da sie weiterhin gerade Fachpersonal verbiete, Informationen zu den gebräuchlichen Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen zu teilen, während Laien frei darüber informieren dürften und darüber hinaus auch Fehlinformationen verbreiteten. Während der Gesetzgeber mit dieser Reform einer Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zum Schutz ungeborenen Lebens verhindern wollte, wird weitreichend der Berufsethos von Mediziner:innen berührt, der eine medizinische Aufklärungspflicht gebietet.


Folgen der Gesetzesänderung


Zumindest dieses Problem, geht der neue Gesetzesentwurfs von Justizminister Marco Buschmann nun an, denn die Abschaffung des § 219a StGB ist ein Schritt in die Entkriminalisierung und somit auch Enttabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Weiter werden strafgerichtliche Verurteilungen wegen Straftaten nach § 219a StGB aufgehoben, anhängige Verfahren nachträglich eingestellt und verurteilte Ärzt:innen somit rehabilitiert.

Laut Buschmann sei auch zukünftig nicht zu erwarten, dass "anpreisende oder gar anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche möglich wäre", um dies zu garantieren sieht die Bundesregierung vor, das „Verbot einer irreführenden Werbung“ in das Heilmittelwerbegesetz aufzunehmen.


Doch könnte es in der Praxis die Situation für ungewollt Schwangere nur teilweise verbessern. Denn die bisherige Gesetzeslage führte bislang dazu, dass es sehr schwierig sein kann eine Ärzt:in auswendig zu machen, die innerhalb der entstandenen „rechtlichen Grauzone“ Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Zwar gibt es durch das statistische Bundesamt keine genauen Zahlen, wie viele Praxen wirklich Schwangerschaftsabbrüche durchführen, jedoch wird geschätzt, dass auch in den Großstädten die Zahl der Mediziner*innen, die Abtreibungen durchführen, rückläufig und aktuell sehr niedrig sei. Laut einer Statistik der Initiative „mehr als du denkst“ von der Bewegung „Doctors for choice“, gibt es zum Beispiel in der bayerischen Landeshauptstadt München, mit mehr als 1,4 Millionen Einwohner*innen, laut der Liste der Bundesärztekammer nur 4 Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Diese Problematik wird auch die Abschaffung des § 219a StGB nicht beseitigen. Genauso wenig, die Tatsache dass Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor gemäß § 218 StGB unter Strafe gestellt sind und den Betroffenen dadurch nur unter erschwerten Bedingungen möglich sind.


Während sich die Union klar gegen die Streichung des § 219a StGB stellt, unterstützt die Linke das Vorhaben der Regierungsparteien. Daher gilt die Annahme des Gesetzes als sehr wahrscheinlich. Eine Gesetzesreform, die sich viele starke Frauen mühsam erkämpft haben - egal ob als praktizierende Ärzt:in oder bei Demonstrationen, etwa anlässlich des internationalen feministischen Kampftages.

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