Die Gläserne Decke für Migrantinnen
Gläserne Decken sind unsichtbare Barrieren. Sie sind eine Metapher für das Phänomen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht in gewollte Positionen aufsteigen können. Insbesondere wenn es um die Ungleichberechtigung und Diskriminierung von Migrantinnen geht, sind sie ein schwerwiegendes Problem in unserer Gesellschaft und scheinen kaum überwindbar.
Ein Kommentar und Aufklärungsversuch über die Möglichkeiten, diese Barrieren doch noch zu durchbrechen.
Von Rebecca Sauber

Wie viele andere marginalisierten Gruppierungen haben insbesondere Migrantinnen mit Vorurteilen und Alltagsdiskrimierung zu kämpfen. Möglichkeiten, ihr Potential zu entfalten, gibt es wenige, rechtlicher Schutz und Sicherheit ist für sie oft nicht ersichtlich. Dabei kann Integration nur durch die Ermöglichung von sozialer und beruflicher Teilhabe funktionieren.
Spätestens seit 2015 herrscht eine lebendige Diskussionslandschaft über Migrant*innen und Geflüchtete sowie deren Integration in europäische Länder - allem voran in Deutschland. Innerhalb dieses Diskurses werden auch die Probleme thematisiert, gegen die insbesondere Frauen ankommen müssen. Dabei sticht ein Aspekt hervor: Trotz ihrer oft erheblich erschwerten Lebensumstände, erhalten sie nicht immer die gebotene Unterstützung, um sich mittels ihrer persönlichen Fähigkeiten und Talente in das Berufsleben einzubringen. Auch insgesamt ist anzuprangern, dass der rechtliche Schutz von Migrantinnen hinter jahrzehntelanger Migration deutlich hinterherhinkt.
Wann aber sprechen wir von Migrant*innen? Beschäftigt man sich mit den Ursachen, die Migration bedingen, so sind einige wiederkehrend und lassen sich zusammenfassen. Dadurch können wir uns einer Definition annähern: Migrant*innen verlassen ihre Heimat, einerseits aus familiären Gründen, andererseits um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. In der Regel können sie in ihre Heimat zurückkehren, manchmal sind sie aber auch auf humanitäre Hilfe angewiesen. In der Gesellschaft wird oft pauschal und undifferenziert auf „Menschen mit Migrationshintergrund“ abgestellt, dieser Begriff ist jedoch vielschichtig und nicht sofort einleuchtend.
Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Im Einzelnen umfasst diese Definition zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer*innen, und Eingebürgerte, (Spät-) Aussiedler*nnen sowie die als Deutsche geborenen Nachkommen dieser Gruppen. Ein sachlicher Begriff also, der dennoch aufgrund von Vorurteilen und Stereotypen emotional geladen ist. Die Bezeichnung „Menschen mit Migrationshintergrund“ ist heutzutage überwiegend negativ konnotiert.
Migrantinnen sind keine homogene Gruppe – Frauen und deren Familien sind aus 100 Herkunftsländern nach Deutschland immigriert. Die Einwanderung von Frauen nach Deutschland ist überwiegend europäisch geprägt: Von den in Deutschland lebenden Migrantinnen stammen 77 Prozent aus einem anderen europäischen Land, rund 15 Prozent kommen aus Asien, vier Prozent aus Afrika und drei Prozent aus Amerika. Entweder sind diese selbst immigriert oder in mehreren Generationen in Deutschland ansässig. Sie haben unterschiedliche Aufenthaltstitel, diverse familiäre Ausgangsbedingungen sowie einen heterogenen Bildungsstand. Wichtig ist also: Migrantinnen kann man nicht über einen Kamm scheren!
Eine Barriere, die sich zwischen Migrantinnen und ihrer sozialen und beruflichen Verwirklichung stellt, ist die Schere zwischen arm und reich. Die Unausgeglichenheit der Lebens- und Vermögensverhältnisse in Deutschland wirkt sich besonders auf sie aus, da sie seit Jahrzehnten benachteiligt werden und als „Randgruppe“ besonders unter den Missständen leiden müssen - gerade auch deshalb, weil die Zuwendungen und Unterstützungssysteme der Bundesregierung, die für sozial benachteiligte Personengruppen gedacht sind, Migrantinnen und sogenannte „herkunftsdeutschen“ Frauen ungleich zu Gute kommen.
In Alltagsdiskursen fällt auf, wie einseitig das Bild von Migrantinnen ist. Das trifft vor allem auf Frauen und Familien zu, die mehrheitlich aus muslimischen Ländern stammen. Dabei hat sich das Kopftuch als Symbol der Migration gefestigt. Für einen Teil der Gesellschaft ist es eine vermeintlich visuelle Bestätigung, dass Migrantinnen fremd sind, nicht aber aus der Mitte der Bevölkerung Deutschlands stammen können. Das Frauenbild lässt sich abseits des Kopftuchs aber noch weiterspinnen, denn Migrantinnen werden, wie in Gastarbeiterzeiten, des Öfteren lediglich als Anhängsel ihrer Ehemänner wahrgenommen. Geschlechterspezifische Belastungen und Klischees sind natürlich nicht ausschließlich im Zusammenhang mit Migrantinnen zu beobachten, dennoch werden sie hier auffallend oft thematisiert.
Wie können die Rechte von Migrantinnen also besser geschützt und durchgesetzt werden? Und wie kann ihre jeweilige Situation verbessert werden? Dazu müssen im Ausland erworbene Qualifikationen und Berufserfahrungen in Deutschland leichter anerkannt werden. Es ist unabdingbar, dass Bildungserfolge und Potentiale der Frauen differenziert betrachtet werden, um sie bedarfsgerecht in ihren Bildungs- und Berufslaufbahnen stärken zu können. Es ist zudem wichtig, dass Talente und Qualifikationen der Migrantinnen vermehrt gefördert werden.
Frauen brauchen zudem mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich der Arbeitsmigration. Um ihre Integration in Deutschland zu fördern, sollte außerdem der Familiennachzug großzügiger gewährt werden, und zum Beispiel alle Kinder einer Migrantin mit Aufenthaltsgenehmigung umfassen. Die erschwerten Bedingungen für Migrantinnen, eine stabile Lebenssituation zu entwickeln, müssen deutlich minimiert werden.
Um auf den Punkt zu kommen: es gibt Mittel und Wege, um die gläserne Decke für Migrantinnen zu durchbrechen. An deren konkreter Umsetzung fehlt es bis heute.