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Wie funktioniert eigentlich das Pariser Klimaabkommen und gegen welche Regeln verstößt Putins Krieg?

Schon vor den Ereignissen der letzten Wochen spielten Begriffe wie „Internationales Recht“ und „Völkerrecht“ eine zunehmend große Rolle im politischen Diskurs und die Europäische Union mit ihrem umfassenden Regelwerk ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. In Hinblick auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wird häufig darauf verwiesen, dass eine verstärkte internationale Zusammenarbeit notwendig ist. Dieser Artikel soll daher die Grundbegriffe erklären und beantworten, was denn jetzt Völkerrecht, was Internationales Recht und was der Unterschied zwischen den beiden ist. In Zukunft wird Rechtverblüffend dann die einzelnen (regionalen) internationalen Organisationen vorstellen.


von Jonas Heilemann


© Jolanda Zürcher



Zunächst bezeichnet Internationales Recht einfach jene Rechtsordnung, die über das nationale Recht hinaus geht.


Wie so häufig hat auch im Bereich des internationalen Rechts zunächst das Geld für Entwicklung gesorgt. Das Internationale Privatrecht (IPR) regelte damit zunächst primär die Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Herkunftsländer. Dabei steht das IPR keinesfalls für eine einheitliche internationale Rechtsordnung. Vielmehr hat jede Nation zunächst sein eigenes „Internationales Privatrecht“, welches wiederum regelt, welche Prinzipien und Konventionen wann gelten sollen.


Auf der anderen Seite findet sich das Internationale Öffentliche Recht als Gegenstück zum internationalen Privatrecht. Das internationale öffentliche Recht regelt die Beziehung zwischen den einzelnen Nationalstaaten. Der Begriff Völkerrecht wird dabei meist als Synonym für die öffentlich-rechtliche Dimension des internationalen Rechts verwendet. Dieses Völkerrecht wiederum lässt sich in zwei unterschiedliche Arten einteilen, je nachdem wie die Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten geregelt ist:


1. Intergouvernementalismus

Der Intergouvernementalismus betont die Zwischenstaatlichkeit. Der Grundgedanke ist, dass sich Nationen gemeinsam auf Regelungen einigen, ohne dabei etwas ihrer Souveränität aufzugeben. Prominentestes Beispiel dieser Form der Zusammenarbeit sind die Vereinten Nationen, die heute 193 Einzelstaaten umfassen. Da für diese Zusammenarbeit keine Souveränität von den Nationen abgegeben wird, beruht sie schlussendlich zwangsweise auf Freiwilligkeit der Mitglieder, da keine durchsetzbare Verbindlichkeit geschaffen werden kann. Beschlüsse auf intergouvernementaler Ebene müssen daher auf Einstimmigkeit beruhen, um für alle Mitglieder Bedeutung zu entfalten.


2. Supranationalität

Die Supranationalität hingegen schafft eine neue überstaatliche Ebene. Hier ist der Grundgedanke, dass von den Nationen ein Teil der Souveränität abgegeben wird, um eine neue Instanz zu schaffen, die eigene rechtliche Zuständigkeiten erlangen kann. Prominentestes Beispiel hier ist die Europäische Union, die zwar erst durch den Beschluss der Mitgliedstaaten entstehen konnte, heute aber einen eigenen Kompetenzbereich hat, in dem Beschlüsse der EU gegenüber nationalen Gesetzen vorrangig angewandt werden. Aus diesem Grund ist die EU darauf angewiesen, mit dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Gerichtshof und der Europäischen Kommission eigene Varianten der drei Staatsgewalten zu entwickeln. Beschlüsse auf supranationaler Ebene müssen nicht immer auf Einstimmigkeit beruhen, da die einzelnen Mitgliedstaaten Teile ihrer Souveränität abgegeben haben und somit auch an Beschlüsse gebunden sein können, die sie selbst nicht aktiv unterstützen.


Wie verbindlich ist jetzt also das Pariser Klimaabkommen, und kann Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden?


Das Pariser Klimaabkommen ist als völkerrechtlicher Vertrag im Bereich Intergouvernementalismus einzuordnen. Damit gibt es keine direkte Instanz, die eine verbindliche Zusage zum Abkommen durchsetzen könnte. Jede Nation ist daher selbst dafür zuständig, wie ernst sie das Abkommen nimmt. Dies muss jedoch nicht unbedingt heißen, dass jegliche Verbindlichkeit verloren geht. Deutschland kann zwar die Durchsetzung des Pariser Klimaabkommens durch andere Nationen nicht einklagen, könnte es jedoch für den eigenen Staat als Teil der verbindlichen Rechtsordnung aufnehmen. Dann wäre es uns in Deutschland möglich, die Einhaltung des Abkommens innerhalb Deutschlands einzuklagen. Interessant an diesem Aspekt ist, dass auch die Europäische Union als Einheit das Abkommen unterschrieben hat. Dies könnte zumindest zwischen den Mitgliedstaaten der Union zu einer verbindlichen Durchsetzung führen, wenn die Union sich dazu entschließt, das Abkommen als verbindliches Recht anzusehen.


Der Internationale Strafgerichtshof kann prinzipiell tätig werden, sobald ein Fall Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Verbrechen der Aggression enthält, wie Artikel 5 des Römischen Statutes es formuliert. Basis des Strafgerichtshofs ist jedoch wiederum die Anerkennung durch alle Verfahrensparteien. Bevor Putin vor dem Gericht angeklagt werden könnte, müssten also zunächst sowohl die Ukraine als auch Russland das Gericht anerkennen.


Doch welche Bedeutung haben die Abkommen überhaupt, wenn sich die Mitgliedstaaten jederzeit davon abwenden können?


Das beste Beispiel, um diese Frage zu beantworten, ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Als Dokument der Vereinten Nationen ist sie zunächst ebenfalls nicht bindend. Ihre Bedeutung kann hingegen kaum hoch genug eingeschätzt werden. Seit 1948 hat die Erklärung zahlreiche nationale Verfassungen und internationale Organisationen geprägt und als Gewohnheitsrecht Einzug in die Rechtsprechung von Nationalstaaten auf der ganzen Welt erhalten. Zudem wirkt sie als Vorlage für regionale Menschenrechtssysteme.


Für Deutschland spielt insbesondere der Europarat als regionales Menschenrechtssystem eine Rolle. Dieser ist zu unterscheiden von der Europäischen Union und umfasst alle Staaten auf dem europäischen Kontinent, ausgenommen Belarus, Vatikan und Kosovo.


Regionale Menschenrechtssysteme funktionieren ähnlich wie die Vereinten Nationen, habe aber aufgrund regional geteilter Vorstellungen und Werte meist größeren Einfluss auf die Mitgliedstaaten. Je kleiner und ähnlicher ein solcher Verbund ist, desto einfacher ist die Konsensfindung. Dennoch zeigt das aktuelle Beispiel Russlands auch die klaren Grenzen intergouvernementalistischer Menschenrechtssysteme auf: über die Mitgliedschaft im Europarat war Russland ebenfalls an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.

In Folge des Krieges gegen die Ukraine wurde Russland die Mitgliedschaft jedoch entzogen,

nachdem Russland bereits einen freiwilligen Austritt angekündigt hatte. Im Falle eines so einschneidenden Konfliktes wie dem aktuellen Krieg bietet der Europarat also ebenfalls keine Basis für Rechtsverbindlichkeit.


Neben dem Europarat finden sich vergleichbare Systeme in der Organisation Amerikanischer Staaten und der Afrikanischen Union. Jüngere Menschenrechtssysteme, die möglicherweise eine ähnliche Entwicklung vollziehen werden, sind die Arabische Liga und der Verband Südostasiatischer Nationen.



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