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Wie der Vater, so der Sohn? Von der Sinnhaftigkeit und Ethik des Klonens

Wenn wir an Klonen denken, denken wir vielleicht an die Klonkrieger aus Star Wars, an einen eigenen Doppelgänger oder an die Wiederauferstehung längst ausgestorbener Spezies – etwa wie in Jurassic Park. Wir denken an eine weit entfernte Zukunft, wie wir sie aus Filmen und Büchern kennen. Dabei ist das Klonen von Lebewesen schon längst nicht mehr eine abenteuerliche Fantasie, sondern bereits heute ein Teil der Realität in der Forschung. Doch sollte es das wirklich sein?


von Lucia Riederer


1996 wurde Dolly, das wohl bekannteste Schaf der Welt, geboren. Nur fünf Monate zuvor wurde sie in einem Reagenzglas geschaffen. Dolly war eine genetisch identische Kopie ihres Spendertiers, ein Produkt des reproduktiven Klonens. Sie war das erste aus einer reifen Zelle geklonte Säugetier. Ihr Erbmaterial stammte aus den Euterzellen eines erwachsenen Schafes, aus denen Forscher eine Zellkultur erzeugten. Daraus wurde ein Nukleus entnommen und im Anschluss in eine unbefruchtete Eizelle gespritzt, deren Zellkern zuvor entfernt wurde. Mithilfe eines elektronischen Schocks begann die Eizelle, sich zu teilen. Eine Blastozyste, also ein früher Embryo, entstand, der von einer Leihmutter ausgetragen wurde. Dollys Geburt bedeutete einen Durchbruch in der Forschung – schnell wurde klar, dass das reproduktive Klonen unzählige Möglichkeiten des medizinischen Fortschritts, jedoch noch mehr Potenzial für kontroverse ethische Debatten mit sich bringt.


Das Verfahren hat es seitdem ermöglicht, wertvolle Rennpferde zu klonen und konnte angewandt werden, um genetisch hochwertigen Nachwuchs von Nutztieren zu produzieren. Zudem kann es eine geeignete Alternative zur künstlichen Besamung in der Tierzucht darstellen. Im Regelfall dauert es lange, um festzustellen, ob ein Tier ein tauglicher Samenspender ist. Da beim reproduktiven Klonen eindeutig bestimmbar ist, wie viel Fleisch, Wolle oder Milch ein Tier produzieren wird, ist diese Zeit deutlich verkürzt.


Auch die Möglichkeiten des transgenen Klonens bestehen - also das Erzeugen von Lebewesen, die ein zusätzliches, eingeschleustes Gen einer anderen Art in sich tragen. In einem Labor in Oberschleißheim werden zum Beispiel Schweinzellen genetisch modifiziert. Der Gedanke dahinter: Es sollen Schweine geboren werden, die potenzielle Organspender für den Menschen sein könnten. Dafür werden die Zellen so verändert, dass sie vom menschlichen Immunsystem nicht mehr als fremd angesehen werden. Im Anschluss daran werden sie geklont, um die spezielle Modifikation ihrer Erbsubstanz zu erhalten. Die Schwein-Embryonen werden dann, wie Dolly auch, von einer Leihmutter ausgetragen.


Durch diese Methode könnte man also den Organmangel effektiv bekämpfen und die Anzahl der Not- und Nachtoperationen, die damit in Verbindung stehen, vermindern. Jederzeit zur Verfügung stehende Organe bedeuten auch, dass die Patienten optimal auf ihre Operationen vorbereitet werden könnten. Und darüber hinaus natürlich, dass deutlich mehr Menschen ihren Listenplatz in der Warteschlange auf eine Transplantation überleben. Doch macht es das ethisch vertretbar, Tiere zum „Organ-farming“ zu züchten? Die unmittelbare Reaktion ist vermutlich ein eindeutiges NEIN. Doch zeugt es nicht von einer ordentlichen Portion Doppelmoral, die Tierzucht zur Organspende zu verbieten, während die Tierzucht zum Verzehr in ethischer Hinsicht kaum problematisiert wird? Konsequenterweise müsste dann auch die industrielle Fleischproduktion verboten werden.


Die Überlegung, ob jedes Lebewesen, dessen Zellen mit den menschlichen vergleichbar sind, auch wie ein Mensch behandelt werden sollte, ist indes kaum einleuchtend. Sollen diese genmodifizierten Schweine wirklich dieselben Rechte wie Menschen haben, bloß weil sich eins ihrer Organe ähnelt? Das Schwein wird dadurch schließlich nicht menschlicher – weder seine Gedanken noch sein Verhalten. Und Grenzen und Regeln in Bezug auf das tierische Klonen gibt es trotzdem, denn auch hier gilt natürlich das Tierschutzgesetz.


Das reproduktive Klonen von Tieren steht noch am Anfang der Forschung und ist häufig ineffektiv und sehr teuer. Die zahlreichen Vorteile sprechen dennoch dafür, es weiter zu fördern und die Thematik zu erforschen. Auch die Möglichkeit, auf diese Weise rare Spezies vor dem Aussterben zu bewahren, sollten wir nicht ungenutzt lassen. Zwar kann man sich in diesem Kontext fragen, wie sinnvoll es ist, eine Art zu erhalten, die keinen natürlichen Lebensraum mehr hat. Da es bislang jedoch durchaus gelungen ist, im Zoo gerettete Tierarten erfolgreich wieder auszuwildern, ist dem nichts weiter entgegenzuhalten. Vielmehr ist darin eine Möglichkeit zu sehen, dem klimabedingten Artensterben entgegenzuwirken. Die momentane Geschwindigkeit der Klimaveränderung entspricht nicht der Geschwindigkeit der evolutionären Anpassung – wenn wir also nicht bald handeln, wird die Biodiversität sukzessive mehr und mehr abnehmen. Ob das Klonen dabei zu einer genetischen Verarmung führt, muss zunächst Nebensache sein. Die Alternative: Das gesamte Aussterben der Art. Es lohnt sich also durchaus, erst einmal abzuwarten, wie sich die Klone an die neuen Lebensbedingungen anpassen.


Auch am Menschen sollte das reproduktive Klonen schon getestet werden. So behauptete der Klonforscher Panayiotis Zavos im Jahr 2001, Klonen sei „ein Schritt in der menschlichen Evolution“ und er wolle „kinderlosen Paaren das Menschenrecht sichern, sich zu vermehren“. Zavos und sein Partner, der Reproduktionsmediziner Severino Antinori, kündigten an, Klone aus der DNA unfruchtbarer Männer schaffen zu wollen. Dadurch sollten auch diese die Chance bekommen, ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben.


Weitere Projekte dieser Art wurden angekündigt: Neben der Umgehung der Unfruchtbarkeit waren auch die Replizierung eines verstorbenen Menschen und die gezielte Vermehrung von Menschen mit bestimmten Eigenschaften das Ziel. Ernstzunehmende Beweise oder Ergebnisse dieser Experimente gab es – an dieser Stelle muss man sagen: glücklicherweise – nie, was darauf schließen lässt, dass die großen Ankündigungen nicht in die Tat umgesetzt werden konnten. Und das sollte auch so bleiben. Denn anders als beim Tier ist das reproduktive Klonen von Menschen ethisch mehr als fragwürdig. Das Klonen menschlicher Embryonen ist in Deutschland daher auch verboten. In § 6 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) haben wir dies bereits 1990 festgehalten. Als Embryo zählt nach diesem Gesetz die einzelne befruchtete entwicklungsfähige Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung sowie jede dem Embryo entnommene totipotente Zelle (eine Zelle, die die Fähigkeit hat, einen vollständigen Organismus zu bilden), § 8 I ESchG.


Für das Verbot sprechen sowohl praktische als auch gravierende ethische Gründe. So ist etwa die Technik des reproduktiven Klonens noch nicht vollständig ausgereift. Nur selten können lebensfähige Tiere erzeugt werden. Meist haben diese dann immer noch eine bedeutend geringere Lebenserwartung als deren Spendertiere. Bei Menschenversuchen ist in dieser Hinsicht mit ähnlichen Resultaten zu rechnen: Bevor eine Schwangerschaft gelingt, müssten vermutlich also etliche Embryonen sterben. Zudem erlaubt es der derzeitige Stand der Forschung (noch) nicht, gesundheitliche Schäden zu verhindern. Bis zur Perfektion des Verfahrens könnte es daher zu schwerwiegenden Erkrankungen und Fehlbildungen kommen. Und wie schon der Genforscher Alan Colman sagte: „Übung macht den Meister, aber es ist unethisch, am Menschen zu üben“.


Auch muss man an das potenzielle Leben eines Klons denken. Dieser müsste damit zurechtkommen, ein Klon und Experiment der Wissenschaft zu sein, was mit Sicherheit starke Auswirkungen auf seine Psyche haben würde. Außerdem stünde er unter der ständigen Beobachtung der Öffentlichkeit – schließlich würde seine reine Existenz an ein wissenschaftliches Wunder grenzen. Wer sind wir als Gesellschaft, ein Menschenleben auf diese Art und Weise zu Forschungszwecken zu instrumentalisieren? Das ist per se verboten: Das schlichte Menschsein verleiht Menschenwürde, die dem entgegensteht.


Auch das Replizieren eines verstorbenen Menschen ist eine Verletzung der Menschenwürde. Dem Klon würde - insbesondere durch verfestigte Erwartungen und Hoffnungen von außen - die Chance zur freien Entfaltung der Persönlichkeit genommen werden. Dazu spielen Umwelt, Erziehung und Ernährung bei der Entwicklung eine große Rolle. Diese exakt nachzustellen, ist faktisch gar nicht möglich. Ein Klon eines Verstorbenen hätte also nicht automatisch auch dessen Eigenschaften.


Mit dem Voranschreiten der Forschung ist es jedoch absehbar, dass das reproduktive Klonen eines Menschen in Zukunft grundsätzlich möglich sein wird. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch dadurch, dass es 2018 erstmals gelungen ist, mithilfe der „Dolly-Methode“ zwei Javaneraffen zu klonen. Nun sei man „näher am Menschen als je zuvor“, so der Experte Leonard Zon, der am Boston Children’s Hospital und am Harvard Stem Cell Institute tätig ist und forscht.


Doch auch wenn man Menschen klonen können sollte, heißt das noch lange nicht, dass das auch geschehen darf. Die schiere Möglichkeit berechtigt jedenfalls nicht dazu. Denn obwohl das Klonen beim Tier vielversprechend ist, ist es beim Menschen schlichtweg unethisch; ein Verstoß gegen die Menschenwürde wäre unumgänglich. Daher müssen klare Grenzen gelten. Und Klonkriege und Doppelgänger sollten Fantasie bleiben.

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