Warum wir einen Perspektivenwechsel im Prostituiertenschutzgesetz brauchen
Kann die Prostitutionstätigkeit wie jeder andere Beruf behandelt werden? Ist das mit der in Art. 1 des Grundgesetzes niedergelegten Menschenwürde vereinbar? Welcher Ansatz sollte verfolgt werden, um der mit der Prostitutionstätigkeit einhergehenden Problematik gerecht zu werden? Ein Kommentar.
Von Leonie Zwink

In vielen Fällen geht ein Gesetz aus gesellschaftlichen Entwicklungen hervor, an welche die jeweilige gesetzliche Grundlage angepasst wird. So wurde im Jahr 2001 mit dem Prostitutionsgesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um der bis dahin bestehenden Gesetzlosigkeit in Bezug auf Prostitution und Sexarbeit entgegenzutreten. Bis dahin galten alle Verträge und Vereinbarungen, die eine Prostitutionstätigkeit zum Gegenstand hatten als sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und waren somit nichtig. Folglich bestand für Prostituierte kein Anspruch auf das mit dem Kunden vereinbarte Entgelt. Da Prostitution auch weder als Arbeit noch als Dienstleistung anerkannt wurde, konnten keine rechtswirksamen Arbeitsverträge geschlossen werden, was unter anderem zur Folge hatte, dass Prostituierte keinen Zugang zur Sozialversicherung erlangen konnten.
2017 wurde das Prostitutionsgesetz durch das Prostituiertenschutzgesetz ergänzt. Ziel war es, dadurch eine verbesserte gesetzliche Grundlage für Kontrollen von Prostitutionsstätten durch die Ordnungsbehörden zu schaffen. Darüber hinaus waren eine sowohl soziale als auch rechtliche Besserstellung der Prostituierten in Form einer Krankenversicherung und Absicherung im Alter beabsichtigt. Auch sollten durch das Gesetz besondere Maßnahmen gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel getroffen werden.
Der Inhalt dieses Prostituiertenschutzgesetzes besteht im Wesentlichen in einer Ausweis- und Anmeldepflicht für Prostituierte und einer Meldepflicht für Betreiber. Die Betreiber sind verpflichtet, sich einer sogenannten Zuverlässigkeitsprüfung zu unterziehen. Wer beispielsweise vorbestraft ist, erhält keine Genehmigung für die gewerbliche Tätigkeit. Mit dem Gesetz werden die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter darüber hinaus dazu verpflichtet, sich einer regelmäßigen Gesundheitsberatung zu unterziehen. Auch ist im Hinblick auf die Vermeidung von Krankheiten und Infektionen eine Kondompflicht im Gesetz verankert.
Auch wenn mit dem Prostituiertenschutzgesetz in erster Linie der Schutz von Prostituierten bezweckt ist, geht es in diesem Gesetz vor allem um merkantile Fragestellungen, was beispielsweise die Anmelde- und die Meldepflicht für Betreiber deutlich zeigen. Man sollte sich aber nochmals die Frage stellen: Darf Prostitution überhaupt ein Markt, ein Geschäft oder ein Gewerbe sein? Diese zentrale Frage findet ihre Grundlage in der Tatsache, dass mit der Prostitutionstätigkeit bei einer Frau unter anderem ihre psychische und physische Unversehrtheit und ihre Würde berührt wird. Um sie zu schützen, bedarf es möglicherweise anderer Maßnahmen als der im Prostituiertenschutzgesetz niedergelegten.
Als Vergleich - um die Problematik zu veranschaulichen - ist die Rechtslage hierzu in Schweden zu betrachten, die einen völlig anderen Blickwinkel auf die Thematik aufweist. Der Grundgedanke, auf dem das Gesetz zur Prostitution in Schweden beruht (Sexkaufverbot), ist, dass Prostitution Gewalt gegen Frauen darstellt, mit der Folge, dass hier nicht die Prostituierte beziehungsweise Sexarbeiterin oder der Sexarbeiter im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte steht, sondern vielmehr der Freier. Nur er wird zur Verantwortung gezogen bzw. unterliegt der Strafverfolgung.
Im Gegensatz dazu existiert mit dem Prostituiertenschutzgesetz in Deutschland ein Gesetz, das die Frage aufwirft, ob mit diesem – trotz beabsichtigtem Schutz - menschenwürdige Rahmenbedingungen für Prostituierte geschaffen worden sind.
Kritisch zu sehen ist dabei zunächst das Erfordernis der Ausweispflicht. Der Besitz eines Prostituiertenausweises, in der Szene „Hurenpass“ genannt, wirkt massiv diskriminierend und darüber hinaus auch stigmatisierend für die betroffenen Frauen. Wie auch aus einem Artikel der taz hervorgeht, haben viele Prostituierte aus diesem Grund Angst vor einem Outing, welches durch dieses Gesetz quasi erzwungen wird. Es herrscht Ungewissheit im Hinblick auf die Frage, was mit den Daten geschieht, mit welchen sich die Prostituierten anmelden, beziehungsweise wer Einsicht in diese hat. Problematisch stellt sich die Situation beispielsweise für Frauen dar, die nur nebenberuflich Sexarbeit leisten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Für Sie besteht das Risiko eines Jobverlusts, wenn der Arbeitgeber von der nebenberuflichen Tätigkeit erfährt, mit der Folge, dass sie möglicherweise hauptberuflich Sexarbeit leisten müssen. Eine Registrierung von Frauen als Prostituierte könnte diese folglich eher in der Prostitution festhalten, als ihnen den Ausstieg aus ihrer Tätigkeit zu erleichtern, wie die Berliner Historikerin Sonja Dolinsek zu bedenken gibt. An dieser Stelle wird auch deutlich, dass das Gesetz nicht an den Prostitutionsalltag und das gesellschaftliche Leben angepasst ist. Einerseits will man die Prostitutionstätigkeit als „normalen Beruf“ deklarieren, man ist sich jedoch darüber im Klaren, dass diese an vielen Stellen auf Intoleranz und Unverständnis stößt beziehungsweise die Tätigkeit schlichtweg nicht anerkannt wird, was zum Beispiel die Tatsache zeigt, dass Frauen, die hauptberuflich im öffentlichen Dienst und nebenberuflich als Prostituierte arbeiten, ihren (Haupt-)Beruf verlieren, wenn der Arbeitgeber von der nebenberuflichen Tätigkeit Kenntnis erlangt. Dieser Lösungsansatz könnte die Prostituierten, wie auch die Wochenzeitung der Freitag befürchtet, folglich eher in die Illegalität treiben, als sie zu schützen, da sie möglicherweise eine Registrierung vermeiden, um nicht geoutet zu werden.
Wie auch der deutsche Juristinnenbund anmerkt, sind die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter durch das Gesetz, insbesondere die Anmeldepflicht, zudem einer umfassenden Kontrolle und Überwachung ausgesetzt, die Bedenken gegen deren Berufsfreiheit aus Art. 12 GG und deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, aufkommen lässt.
Die Thematik und Problematik wird und muss die gesellschaftliche Diskussion noch länger beschäftigen. Es muss an vorderster Stelle das Ziel im Auge behalten werden, den Frauen ein gerechtes und menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und sie vor Gefahren für ihre körperliche und geistige Unversehrtheit zu schützen. Möglicherweise wäre es hierzu erforderlich, eine andere Perspektive einzunehmen und, wie im Beispiel Schweden, den Fokus auf die andere Seite des Handelns zu legen.